Story

Wie Daten, künstliche Intelligenz und die richtige Einstellung zu Veränderung Industrie 4.0 Wirklichkeit werden lassen

Die Smart Factories von Henkel Adhesive Technologies

Industrie 4.0 11.07.2023

Die Herstellung moderner Klebstoffe ist komplex. Die Prozesse müssen exakt aufeinander abgestimmt sein. Henkel ist hier einer der weltweit führenden Hersteller mit 124 solcher hochspezialisierten Produktionsanlagen. Diese zu digitalisieren ist die Aufgabe von Dr. Nick Miesen, Head of Digital Operations bei Adhesive Technologies. Wir sprechen mit ihm über die Vorteile, die bestehende Produktion in eine Smart Factory zu verwandeln. Und klären die Frage, warum gerade der Faktor Mensch so entscheidend ist, um die Digitalisierung in einer Fabrik voranzutreiben.

Wir treffen Nick Miesen per Videoanruf in seiner neuen Wahlheimat Singapur. Seit Oktober 2022 leben er und seine Familie dort, hergezogen aus den Niederlanden: „Meine Söhne fühlen sich hier sehr wohl, das ist mir wichtig“, erzählt er. Nick ist seit Anfang 2020 bei Henkel, um ein großes Projekt zu leiten: die Digitalisierung der 124 Klebstoff-Produktionsstandorte weltweit. In der asiatischen Metropole, in die er wegen ihrer digitalen Reife gezogen ist, hat Nick ein Team um sich aufgebaut, das ihn bei dieser großen Aufgabe unterstützt.

„Wir übertragen die Prozesse, die wir bereits in der physischen Welt haben, in die digitale Welt. Wir wollen Einblicke in das Innere unserer Maschinen, Prozesse und Produkte bekommen, um dann bessere Entscheidungen treffen zu können. Damit können wir langfristig besser produzieren, weil alle unsere Prozesse dann auf vielen unverfälschten Datensätzen basieren.“ Was Nick Miesen hier beschreibt, ist die Überführung der klassischen Produktionsstätte in die Industrie 4.0. Auch in anderen Produktionseinheiten arbeitet Henkel mit Hochdruck daran, diese in die digitale Welt zu transferieren. Doch jeder Digitalisierungsprozess hat seine eigenen Herausforderungen. In einigen Bereichen, wie zum Beispiel der Waschmittelproduktion, ist es vor allem die Größe der Produktionsstätten. Es sind mächtige Hallen mit vielen Maschinen. Im Klebstoffbereich ist es vor allem die Anzahl der Produktionsstätten und die große Bandbreite an chemischen Technologien und Produkten.

Porträt-Foto von Dr. Nick Miesen, Head of Digital Operations bei Henkel Adhesive Technologies

Wir wollen Einblicke in das Innere unserer Maschinen, Prozesse und Produkte bekommen, um dann bessere Entscheidungen treffen zu können.

Erfolgreiche Digitalisierung beginnt mit Definition und Standardisierung

Der Grund dafür ist, dass fast jede der 124 Produktionsstätten über eigene Maschinen verfügt, die sich in Bezug auf Alter und Hersteller unterscheiden. Sie alle auszutauschen, wäre eine hochkomplexe Aufgabe: Unterschiedliche Maschinen, unterschiedliche Prozesse und Arbeitsabläufe machen daher ein standardisiertes Vorgehen zur Grundlage für jeden weiteren Schritt.

Daher muss zunächst für jede dieser Produktionsstätten genau definiert werden, welche Maschinen zur welcher Produktionslinie gehören. Dazu gehört auch die Festlegung der Reihenfolge des Mischens und des Ortes, an dem die Abfüllung erfolgt. Um die physische in der digitalen Welt abbilden zu können, müssen Nick und sein Team diese Dinge für jede einzelne Produktionsstätte genau definieren. Daher ist die Definition der Prozesse und die Standardisierung der Produktionslinien die größte, aber auch wichtigste Herausforderung in ihrer täglichen Arbeit.

Ist dies geschehen, können unverfälschte Daten über alle Produktionen weltweit gesammelt werden. Dazu gehören genaue Erkenntnisse über die Art der Produktion und den Ablauf, Informationen darüber, was genau wann, wo und in welcher Umgebung geschieht sowie Einblicke in den gesamten Prozess, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt, und natürlich auch über die Qualitätskontrolle danach. Wenn all diese Daten zentral erfasst werden, wird die Produktion vorhersehbar: Was passiert, wenn sich das Material ändert? Wenn die Temperatur variiert wird? Oder man bestimmte Prozesse verkürzt? Bjoern Jackisch, Corporate Vice President Global Digital Operations und verantwortlich für Operations & Supply APAC Region bei Adhesive Technologies, unterstreicht die Ambition des Projekts: „Daten als objektive Quelle der Wahrheit sind der Treiber und die Grundlage für den Wandel. Durch die Verknüpfung von Daten aus allen Teilen des Prozesses, wie zum Beispiel Rohmaterialdaten, Prozess- und Maschinendaten und Produktleistungsdaten, können wir die Entscheidungsfindung in Echtzeit optimieren."

All diese Daten werden wiederum dazu beitragen, Mehrwerte für unsere verschiedenen Interessensgruppen zu schaffen. „Wir können all diese Informationen zum Beispiel nutzen, um das Feedback unserer Kunden in die Produktion einfließen zu lassen. Dafür haben wir ein großes, zentrales Tool geschaffen: Eine Plattform, auf der wir die Rückmeldungen unserer Kunden weltweit zentral sammeln und dank der Digitalisierung einfach in unsere Produktion integrieren lassen können“, erklärt Nick.

Das ultimative Ziel: Gläserne Produktion

Für Nick und sein Team ist diese direkte Einbeziehung von Feedback der Kunden ein Teil des Ziels, das sie mit der Einführung eines sogenannten Digital Backbones langfristig erreichen wollen: Die Schaffung eines transparenten Produktionsprozesses und einer transparenten Wertschöpfungskette von den Zulieferern bis zu den Kunden – die dann ihr Feedback und ihre Erfahrung wieder zurück in die Produktion spielen können. Wenn eine Fertigung es schafft, die gesamte Wertschöpfung transparent zu machen, können Prozesse erst wirklich optimiert werden. Das gilt für den Materialeinsatz, die Qualität, die Art der Fertigung und die Auslieferung. Diese Art der offenen Produktion schafft nicht nur einen ökonomischen Vorteil, sondern ermöglicht es auch, Vorgänge im Sinne einer ökologisch und sozial nachhaltigen Prozessgestaltung zu optimieren.

Die Digitalisierung macht all diese Optimierungen erst möglich. Durch die engmaschigen und genauen Daten, die Nick und sein Team erhalten, wird die Produktion vorhersagbar. Und wenn sich bestimmte Prozesse genau vorhersagen lassen, können sie kontinuierlich optimiert werden – indem immer bessere Module entwickelt werden und hochentwickelte KI-Tools für Optimierungen zum Einsatz kommen. Solche komplexen Anwendungen einzusetzen, ist das Highlight der Arbeit des Teams in Singapur. Schließlich ist es das Ergebnis einer langen Kette von Definitions-, Standardisierungs- und Konvertierungsarbeiten eines Prozesses der Datengenerierung und -auswertung. Doch der Digital Operations Experte weiß auch: „Gerade bei KI-Anwendungen müssen wir den Überblick behalten. Wir dürfen uns nicht zu sehr auf Black-Box-Anwendungen einlassen.“

Der Faktor Mensch ist bei der Digitalisierung entscheidend

Generell wird im Gespräch mit Nick Miesen schnell klar: Der Mensch spielt bei der Einführung und Umsetzung digitaler Prozesse eine entscheidende Rolle. Deshalb spricht er viel über seine Leute in Singapur. Dort sitzt das Team, das global den Digitalisierungsprozess plant und steuert. Dort laufen alle Fäden zusammen. Sie behalten den Überblick. Der Standort ist für den gebürtigen Niederländer ideal: „Singapur zeichnet sich durch seine strategische Lage und seinen großen Pool an Fachkräften aus. Hier finde ich genau die Talente, die ich für unsere Arbeit benötige.“ Insgesamt arbeitet er hier mit Menschen aus acht Nationen zusammen. Die vorhandenen kulturellen Unterschiede sind für Nick eine Bereicherung. Sich diesen Unterschieden bewusst zu sein und gut zuzuhören sind wichtige Aspekte, die sein Team zusammenhalten.

Nick und sein Team stehen zusammen in einem Besprechungsraum und posieren neben einem Roll-up mit der Aufschrift „Complete Digitalization of AO".

Nick legt großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit seinem Team in Singapur.

Neben dem Team in Singapur ist Nick zusätzlich für die regionale Umsetzung der Digitalisierung im asiatischen Raum verantwortlich. Dort sorgt er dafür, dass die Pläne und Strategien in die Tat umgesetzt werden. Eine wichtige Erfahrung, die ihm für die Kommunikation mit den Produktionswerken weltweit sehr hilft. Schließlich sind mehr als 10.000 Menschen an der digitalen Transformation aller Klebstoff-Standorte beteiligt. Sie alle muss der Experte mitnehmen, ihnen den Wandel erklären, Begeisterung für die Umgestaltung wecken. Die Produktionslinien verändern sich und werden digital. Sogar das Auto ist heute ein Computer, den man anschließt, um Fehler auszulesen. Ähnliches gilt für moderne Produktionslinien. Für viele bedeutet der Wandel natürlich auch Mühe, da neues Know-how gefragt ist.

Porträt-Foto von Dr. Nick Miesen, Head of Digital Operations bei Henkel Adhesive Technologies

Wir müssen bereit sein, ständig zu lernen.

„Wir müssen bereit sein, ständig zu lernen“, sagt Nick. „Dann wird die Technik ein besseres Leben ermöglichen.“ Mehr noch: Er ist davon überzeugt, dass die Bereitschaft zum Lernen eine der Kernkompetenzen ist, die Arbeitnehmer:innen in Zukunft brauchen werden. Schließlich arbeiten er und sein Team an dieser Zukunft, in der sich die Art und Weise, wie wir produzieren, grundlegend verändern wird.

INDUSTRIE 4.0

WIE DIE DIGITALISIERUNG DIE PRODUKTION UND LOGISTIK TRANSFORMIERT

Industrie 4.0 ist effizient, digital, nachhaltig, vernetzt und intelligent. So viel ist klar. Aber wofür steht der Begriff eigentlich genau? Er beschreibt die vierte – und komplett digitale – Revolution. Zuletzt hatte der Computer die dritte industrielle Revolution ausgelöst – nach der Dampfmaschine und dem Fließband. Jetzt sorgt die Digitalisierung erneut für einen Wandel der Industrieprozesse. Unternehmen, die Automatisierung, Sensorik, Datenaustausch und Echtzeit-Analytik für sich nutzen, werden schneller, besser, nachhaltiger – und erschließen sich eine neue Welt ungeahnter Möglichkeiten.

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