Dr. Jens-Uwe Meyer: Die Innovationskultur ist der zentrale Veränderungstreiber für Unternehmen, die sich verändern wollen. Sie sorgt dafür, dass neue Ideen und Projekte erfolgreich in die Umsetzung gelangen. Kreieren lässt sich eine Innovationskultur durch das tägliche Vorleben durch die Führungskräfte. Es geht darum, Beschäftigte zu animieren, neue Ideen zu generieren, das Bewährte infrage zu stellen und ausreichend Ressourcen für diese Prozesse zur Verfügung zu stellen. Zu einer Innovationskultur gehört auch eine Fehlerkultur und damit der Wille, aus Fehlschlägen zu lernen. Und es gehört dazu, dass man zielorientiert und weniger prozessorientiert agiert. Prozessorientiert heißt, ich mache die Abläufe richtig und verändere wenig. Zielorientiert bedeutet, dass ich ein Ziel verfolge und dementsprechend Dinge verändern muss. Beides steht häufig gegeneinander und muss letztlich vom Topmanagement gelebt werden.
Genauso relevant wie eine positive Fehlerkultur und ein guter Führungsstil ist ein vielfältiges Team.
Welche Herausforderungen ergeben sich beim Etablieren einer Innovationskultur?
Dr. Jens-Uwe Meyer: Innovation geschieht immer auf zwei Arten: Es gibt die Top-down getriebene Innovation, wenn es darum geht, neue strategische Geschäftsfelder und Produkte zu entwickeln. Die große Herausforderung besteht jedoch darin, das Ganze auch umgekehrt zuzulassen, also Bottom-up. Das erfordert, dass ich die Beschäftigten konsequent anleite, ihnen Fragen stelle und dass ich es schaffe, sie dahin zu bringen, unternehmerisch zu denken.
Braucht es Zusammenarbeit für Innovation oder geht es auch in ‚Isolation‘?
Dr. Jens-Uwe Meyer: Es ist die Kombination aus beidem. Die Isolation braucht man, wenn man sich auf etwas fokussieren will. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo man seine innovative Idee anderen vorstellen, sie testen muss. Was sagt der Markt dazu, was die Kunden? Mit dem Input arbeitet man dann wieder. Es ist dieses Spannungsverhältnis zwischen Austausch und Isolation, das wichtig ist.
Wie wichtig ist das Thema Open Innovation?
Dr. Jens-Uwe Meyer: Open Innovation beziehungsweise offene Innovation, also die aktive strategische Nutzung der Außenwelt, ist enorm wichtig zur Vergrößerung des Innovationspotenzials. Open Innovation hat verschiedene Facetten und ist dementsprechend auf unterschiedlichen Ebenen wichtig. Man kann zum Beispiel auf einem B2B-Level zusammenarbeiten und sich mit Start-ups oder anderen Unternehmen verbünden. Und dann gibt es noch das B2C-Level, also die Zusammenarbeit mit den Konsument:innen. Für beide Kooperationen gilt: gegenseitiges Vertrauen. Für beide Kooperationen gilt aber auch, vorab zu klären, wo die Chancen der Zusammenarbeit liegen und wo die Grenzen. Die wenigsten Konsument:innen sind in der Lage, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Sie können aber Input zu bestimmten Dingen wie der Produktgestaltung geben.
Wann haben Sie das letzte Mal etwas neu gedacht?
Dr. Jens-Uwe Meyer: Meine letzte Innovation liegt drei Stunden zurück. Einer meiner Entwickler hat eine neue Funktion in einer Software implementiert. Eigentlich sind wir alle permanent von Innovationen umgeben. Doch wir würdigen oder erkennen diese nicht immer. Die wichtigsten Erfolge sieht man immer dann, wenn man zurückblickt und sich fragt: Wo war ich vor einem Jahr und wo bin ich heute?