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Die meisten wissen mittlerweile einiges über Klimaschutz, Umweltschutz und darüber, was wir tun müssten, um Ressourcen zu schonen und den Klimawandel zu begrenzen. Trotzdem tun wir vieles davon nicht. Es fehlt manchmal ein bisschen Mut zur Veränderung. Im Interview mit Prof. Dr. Rüdiger Hahn und Stefanie Fella vom Henkel-Stiftungslehrstuhl für Sustainability Management der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf reden wir darüber, wie man alte Verhaltensmuster durchbrechen kann. Das komplette Interview gibt’s im Fritz for Future Podcast.
Prof. Dr. Rüdiger Hahn: In der Wissenschaft bezeichnet man dieses Phänomen als "Intention-Behavior-Gap". Es handelt sich dabei um die Lücke zwischen der eigenen positiven Absicht und dem tatsächlichen Verhalten. Diese Lücke kann viele Gründe haben wie zum Beispiel eine allgemeine Bequemlichkeit, Unwissenheit oder angelernte Verhaltensweisen, die mich davon abhalten in einer bestimmten Weise zu handeln. Das betrifft aber nicht nur das Thema Nachhaltigkeit, sondern kann auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche übertragen werden.
Stefanie Fella: Selbst wenn man, wie ich, an diesem Thema forscht, ist man nicht frei von der "Intention-Behavior-Gap". Natürlich versuche ich, nachhaltige Entscheidungen in meinem privaten Leben zu treffen, aber auch ich bin nicht perfekt. Ein wichtiger erster Schritt, um die Lücke zu überwinden, ist, das eigene Verhalten immer wieder zu hinterfragen. Zum Beispiel: Wieso konsumiere ich Fleisch? Ist es vielleicht eine reine Gewohnheit aus Kindertagen, dass ich die Salami morgens auf meinen Toast lege? Ich selbst habe dieses Problem gelöst, indem ich keinen Toast mehr frühstücke, sondern auf ein Müsli mit Obst umgestiegen bin. Somit stellt sich für mich die Frage nach der Salami nicht mehr. Eine hilfreiche Herangehensweise ist, sich bewusst zu machen, dass man nicht vom ersten Tag an alles perfekt machen muss.
Ein wichtiger erster Schritt ist, das eigene Verhalten immer wieder zu hinterfragen und gleichzeitig zu wissen, dass man nicht alles perfekt machen muss.
Stefanie Fella, Henkel-Stiftungslehrstuhl für Sustainability Management an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Prof. Dr. Rüdiger Hahn: Richtig, aber von einer finalen Lösung sind wir weit entfernt. Viel eher kann man verschiedene Anhaltspunkte nennen, die bei der Überwindung der Lücke helfen können. Diese sind vielfältig, weil wiederum die Gründe ganz unterschiedlichen Ursprungs sein können. Der fehlende Glaube an sich selbst kann zum Beispiel ein Grund sein. Oder auch die Überzeugung, dass der oder die Einzelne allein nichts erreichen kann. Durch Aufklärung und Bildung kann man gegen diese Ansichten etwas bewirken. Ein weiteres Problem ist die Bequemlichkeit der Menschen. Wenn man durch neue Produkte das Leben der Menschen vereinfachen kann und sie schließlich merken, dass nachhaltige Lösungen nicht gleich Verzicht bedeuten, dann ist ein weiterer wichtiger Schritt getan.
Stefanie Fella: Ein wichtiger Faktor ist definitiv der „Spillover-Effekt“. Diesen Effekt gibt es sowohl in negativer als auch positiver Ausführung. Positiv wäre, wenn man beispielsweise anfängt mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und daraus gleichzeitig mehrere Vorteile zieht. Man tut etwas Gutes für die Umwelt und wird gleichzeitig fitter. Solche Begleiterscheinungen motivieren mich, dieses Verhalten auch in andere Bereiche zu übertragen. Doch das Erlebnis gibt es leider auch in negativ. Wir sprechen von „Moral Licensing“, wenn man anfängt die eigenen weniger nachhaltigen Handlungen mit bereits getanen nachhaltigeren zu rechtfertigen. Zum Beispiel versucht man das Stück Fleisch zum Abendessen damit auszugleichen, dass man tagsüber mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren ist. Wir sehen, beim Spillover-Effekt geht es tatsächlich in beide Richtungen und es kommt immer darauf an, was die jeweilige Person daraus macht und was sie dabei empfindet.
Alternative Fortbewegungsmittel müssen bequem und günstig sein, damit sie genutzt werden.
Stefanie Fella: Was wir mittlerweile wissen: Nachhaltigere Unternehmen oder Geschäftsmodelle haben Erfolg, welche die gleichen Kundenbedürfnisse ansprechen und erfüllen, wie die konventionellen Modelle. Wenn das nicht der Fall ist, werden die Angebote von den Kund:innen oft nicht genutzt. Wenn ich das Ziel habe, von A nach B zu kommen und dies mit einem Sharing-Dienst bequem und günstig erreichen kann, dann habe ich eine echte Alternative zum eigenen Auto. Diese kann ich zukünftig in meine Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Zudem sollten neue Geschäftsmodelle relativ einfach sein. Je anspruchsvoller ein neues gewünschtes Verhalten ist, desto schwieriger wird auch die Umsetzung. Für die neue Lösung muss ich im besten Fall keine Abstriche machen. Je radikaler der Umbruch, desto schwieriger ist es ihn durchzusetzen.
Prof. Dr. Rüdiger Hahn: Das Konzept der Unverpacktläden ist zum Beispiel so ein radikaler Umbruch im normalen Einkaufsverhalten. Wenn man solch einen Laden eröffnet, wird man schnell feststellen, dass dort zuerst nur Leute einkaufen, die im Bereich Nachhaltigkeit sensibilisiert sind. Das ist aber nicht die große Masse. Diese bekommt man, wenn die Änderungen normaler werden und sich in der Mitte der Gesellschaft etablieren oder die neue Lösung einfacher ist als die konventionelle. Anfangen könnte man deshalb mit einem Stand oder einer Unverpackt-Ecke in einem Supermarkt, um die Kunden und Kundinnen langsam heranzuführen. Mit diesem Vorgehen versucht man, Änderungen erstmal Stück für Stück umzusetzen, um die Menschen schrittweise an neue Lösungen heranzuführen.
Wenn man durch neue Produkte das Leben der Menschen vereinfachen kann und sie schließlich merken, dass nachhaltige Lösungen nicht gleich Verzicht bedeuten, dann ist ein wichtiger Schritt getan.
Prof. Dr. Rüdiger Hahn, Henkel-Stiftungslehrstuhl für Sustainability Management an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Prof. Dr. Rüdiger Hahn: Gerade im Nachhaltigkeitsbereich wird viel getestet. Junge Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen stoßen zuerst in Nischen und übernehmen viel von dieser Experimentierarbeit. Oftmals werden diese Entwicklungen tatsächlich von jungen Unternehmen und Start-ups vorangetrieben. So werden auch große etablierte Unternehmen angespornt, eigene nachhaltige Ideen voranzubringen, um Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit zu werden. Diese Dynamiken bereichern den Markt für nachhaltige Produkte.
Stefanie Fella: Diese neuen Entwicklungen werden aber von den Generationen unterschiedlich angenommen. Die Offenheit, auch mal etwas Neues auszuprobieren, ist tendenziell in der jüngeren Generation stärker vorhanden als bei den Älteren. Neben den persönlichen Eigenschaften und Wertevorstellungen der Zielgruppen ist außerdem die Regulierung sehr relevant. Wenn die Politik bestimmte Aspekte vorantreibt, wie das Verbot der Einwegverpackungen, kann es dazu beitragen, mehr nachhaltiges Verhalten zu fördern.
Prof. Dr. Rüdiger Hahn: Auf die große Masse und den Durchschnitt der Gesellschaft trifft diese Aussage erstmal zu. Deshalb ist es wichtig, gerade bei zentralen Themen wie dem Klimawandel, die Dringlichkeit der Lage deutlich zu machen. Am besten gepaart mit der Botschaft, dass man trotz der Dramatik noch etwas verändern kann. Allein das Schüren von Angst würde an dieser Stelle nichts bringen. Deshalb ist aus meiner Sicht die Kommunikation der negativen Folgen gepaart mit einem Lösungsvorschlag ein richtiger Weg.
Stefanie Fella: Umso schöner ist es, wenn man positiv inspiriert wird und nicht durch Angst den Druck verspürt, etwas verändern zu müssen. Ich liebe es zum Beispiel, mit Freunden zu kochen, die schon vegan leben und die mir zeigen, dass veganes Essen vielfältig und lecker sein kann. Das motiviert mich persönlich ungemein, mehr vegan zu kochen und mich damit weiter zu beschäftigen. Diese Verhaltensänderung kommt durch die soziale Ebene, wenn die eigenen Freunde eine Vorbildfunktion einnehmen. Wenn immer mehr Menschen in unserem persönlichen Umfeld weniger Fleisch konsumieren, bildet sich für uns so etwas wie eine neue soziale Norm, an die wir leichter unser Handeln anpassen können.
Klimaschutz
Transformativen Wandel vorantreiben
Sommer mit Rekordhitze, vermehrte Hurrikane und ein steigender Meeresspiegel. Eine kleine Zahl mag den Anschein haben, als ob sie keinen großen Unterschied macht. Aber wenn es um das Klima und das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des weltweiten Pariser Abkommens zum Klimawandel geht, haben ein paar Grad eine enorme Auswirkung: auf den Planeten und auf die Menschen. Wir müssen handeln, damit nicht nur wir, sondern auch zukünftige Generationen nachhaltig ein gutes Leben führen können.