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Wie ist es, alles auf eine Karte zu setzen, Risiko einzugehen und an etwas zu glauben, das es noch gar nicht gibt? Eduardo Luiz Sotelo Meza glaubt daran, mit seinem Start-up vielen Menschen das zu ermöglichen, was die meisten von uns als selbstverständlich ansehen: laufen. In Entwicklungsländern sind Beinprothesen oftmals ein Luxus, den sich nur wenige der Betroffenen leisten können. Doch gerade in diesen Regionen ist der Bedarf sehr hoch und die fehlende Versorgung entscheidet nicht nur über die Lebensqualität, sondern häufig auch über die Existenz einer ganzen Familie. Horus Prosthetics möchte mit Hilfe von günstigen und langlebigen Beinprothesen eine inklusive Mobilität ermöglichen und einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation vieler Menschen leisten.
Im Interview erzählt Eduardo uns, wie er mit einem Freund die Idee für das Start-up entwickelte, warum der Glaube daran das Risiko überwiegt und wie Klebstoffe dabei helfen, die Vision der erschwinglichen Prothesen zu realisieren.
Eduardo Sotelo: Vor acht Jahren habe ich meinen Freund Asbjörn im Studium kennengelernt. Eines Tages, kurz nach unserem Kennenlernen, humpelte er etwas, als er die Treppe herunterging. Als ich ihn fragte, ob er sich beim Sport verletzt hatte, lachte er nur und meinte, das ist völlig normal, wenn beide Beine amputiert wurden. Asbjörn mussten nach einem Zugunfall beide Beine operativ entfernt werden. Ich war beeindruckt, dass seine Prothesen ihm eine so natürliche Bewegung erlaubten, dass mir das anfangs überhaupt nicht aufgefallen war. Diese Technik hat allerdings ihren Preis. Ich komme aus Peru und bin 2011 zum Studieren nach Deutschland gekommen. In Peru hatte ich so etwas noch nicht gesehen. Für viele Menschen in Entwicklungsländern sind Prothesen aus Kostengründen einfach keine Option. Als Mechatroniker war uns klar, dass wir etwas entwickeln könnten, das günstiger ist.
Eduardo: So wurde die Idee zwar geboren, aber sie blieb lange nur eine Vision. Eine Vision, wie wir Menschen in ärmeren Regionen helfen könnten, ihr Leben trotz Amputation einigermaßen normal weiterzuführen. Das änderte sich erst letztes Jahr, als wir aufgrund persönlicher Umstände beide mehr Zeit hatten und die Idee wieder aufgriffen. Im Juli 2020 saßen wir gemeinsam in einem Restaurant und zeichneten das erste Kniegelenk unserer Prothesen. Seitdem ging alles recht schnell.
Die Prothese eines Freundes war der Anstoß für die Gründung des Start-ups.
Eduardo: Im Dezember 2020 haben wir den ersten Prototypen fertiggestellt und aktuell sind wir gerade in den letzten Zügen der Gründung. Unsere Firma wurde vor Kurzem in das Handelsregister eingetragen, das Patent für die Prothesen wurde angemeldet und wir sind gerade dabei, unsere Webseite aufzubauen. Das ist für uns der Startschuss, unsere ersten Produkte nach Peru zu senden und zu verkaufen.
Unsere Produkte sind gut, günstig und langlebig und sollen Menschen in ärmeren Gebieten die Möglichkeit geben, ihr Leben so uneingeschränkt wie möglich weiterzuleben und arbeiten zu gehen.
Eduardo Sotelo, Mitgründer Horus Prosthetics
Eduardo: Es ist schön zu sehen, dass man seine eigene Vision vorantreibt und wir sind stolz darauf, was wir schon alles erreicht haben. Allerdings birgt eine Gründung auch ein hohes Risiko und vor allem am Anfang sieht man noch keine greifbaren Ergebnisse. Man vertraut einfach darauf, dass es funktionieren wird. Eigentlich ist das überhaupt nicht logisch, weil man sich auf etwas verlässt, das es noch gar nicht gibt und von dem man nicht weiß, ob es überhaupt gelingen wird. Trotzdem glauben wir einfach daran.
Das Team von Horus Prosthetics rund um Gründer Eduardo Sotelo.
Eduardo: Aktuell werden viele prothetische Lösungen hauptsächlich für Industrieländer entwickelt. Unsere Produkte sind gut, günstig und langlebig und sollen Menschen in ärmeren Gebieten die Möglichkeit geben, ihr Leben so uneingeschränkt wie möglich weiterzuleben und arbeiten zu gehen. Unsere Prothese setzt sich aus verschiedenen Einzelteilen zusammen. Das Kernstück, das von uns entwickelt und produziert wird, ist das Kniegelenk. Den Fuß kaufen wir von einer Firma in Oberbayern. Der Geschäftsführer hat selbst bereits in Ecuador gelebt, kennt die lateinamerikanische Welt und vertritt dieselben nachhaltigen Werte und Ziele wie wir. Für den Schaft arbeiten wir mit einem Unternehmen in Berlin zusammen und möchten das Produktionsverfahren in Peru einführen. Die Herstellung des Schafts ist wesentlich schwieriger, eine Massenproduktion ist nicht wirklich möglich. Das liegt daran, dass jede Amputation anders ist und der Schaft an den Menschen angepasst werden muss. Somit ist jeder Schaft ein Einzelstück, das vor Ort produziert werden muss. Dafür nutzen wir ein digitales Verfahren, mit dem auf Basis des Stumpfmaßes ein erstes Modell erstellt werden kann.
Eduardo: Bei der Beschaffung unserer Materialien suchen wir nach kreativen Wegen und Werkstoffen, die eine gute Qualität haben und trotzdem günstig sind, um den Preis der Prothese gering halten zu können. Für unser Kniegelenk und die Montage der einzelnen Bauteile nutzen wir zum Beispiel Fügeklebstoffe, um das Rohr mit der Rohrhöhle und das Rillenkugellager mit der Achse zu verbinden. Das geht schnell und ist günstiger als eine Bohrung oder Klemmverbindung. Eine andere Herausforderung, die wir durch den Einsatz von Klebstoffen meistern konnten, war die Kostensenkung bei der Herstellung des Schafts. Der Stumpfschutz ist aus Silikon und einem Gewebe gefertigt, dem Liner, das sehr teuer ist. Wir haben einen Hersteller in Deutschland gefunden, der dieses Material günstiger herstellt, doch das Problem war, dass sich der Werkstoff in die Breite und die Länge gedehnt hat. Die Längsdehnung ist für eine Prothese inakzeptabel, da diese Elastizität beim Laufen ständig den Bewegungsablauf stören würde. Wir haben schließlich eine Stoff-Stoff-Verklebung im Schaft verwendet und Band eingesetzt, das an den Stoff geklebt wurde. Auf diese Weise können wir die Dehnung nach oben verhindern und die Kosten für den Liner reduzieren. So helfen uns Klebstoffe dabei, unser Ziel von günstigen Prothesen zu verwirklichen, weil sie für einige Verbindungen die ökonomischste Lösung sind. Darüber hinaus erzielen wir damit langlebige Verbindungen, die noch dazu leicht sind und das Design verbessern.
Klebstoffe helfen uns dabei, unser Ziel von günstigen Prothesen zu verwirklichen, weil sie für einige Verbindungen die ökonomischste Lösung sind. Darüber hinaus erzielen wir damit langlebige Verbindungen, die noch dazu leicht sind und das Design verbessern.
Eduardo Sotelo, Mitgründer Horus Prosthetics
Klebstoffe machen die Prothesen haltbarer und kostengünstiger.
Eduardo: Wir starten gerade mit dem Verkauf der Prothesen und sind gespannt, wie die ersten Tests ausfallen werden. Für einen erfolgreichen Start brauchen wir auf jeden Fall noch weitere Investitionen. Wenn das geschafft ist, möchten wir nächstes Jahr expandieren und uns in Lateinamerika etablieren. Ich persönlich hoffe, dass ich in einem Jahr zurückblicken kann auf viele Patienten, denen wir es ermöglicht haben, wieder zu laufen und sehe, dass es sich lohnt, wenn der Glaube das Risiko überwiegt.
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