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Montagmorgen, 8 Uhr, Düsseldorf Hauptbahnhof: Gemeinsam mit ein paar Hundert verschlafenen Menschen mit Coffee-to-go-Becher in der Hand bahne ich mir den Weg zu Gleis 18. „IC 2410 nach Fehmarn-Burg“ steht auf der Anzeigetafel. Wer jetzt an Meeresrauschen, Möwenkreischen und Strandkörbe denkt, liegt falsch – zumindest mit letzterem. Ich bin nicht auf dem Weg in den Urlaub, sondern in die Schleswig-Holsteiner Landeshauptstadt Kiel: Hier finden in diesem Jahr die nationalen Special Olympics statt. In 19 Disziplinen gehen rund 4.600 Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung an den Start. „Gemeinsam stark“ ist das Motto, denn hier steht nicht das Gewinnen im Vordergrund, sondern das Miteinander.
Henkel unterstützt die Special Olympics bereits zum dritten Mal mit freiwilligen Helfern vor Ort. Rund 40 Mitarbeiter von sieben Standorten reisen dafür aus ganz Deutschland nach Kiel. Und ich bin ein Teil davon. Als ich mich für diese Aufgabe beworben habe, wusste ich nicht so recht, was auf mich zukommt. Ich hatte von Kollegen, die bereits in vergangenen Jahren dabei waren, gehört, dass es ein „einmaliges Erlebnis“ und eine „ganz besondere Erfahrung“ sei. Und das sollte es auch werden.
Nach einer kurzen Einweisung geht es am Montagabend direkt mit einem Highlight los: Wir dürfen bei der offiziellen Eröffnungsfeier der Special Olympics dabei sein. Die Ränge der Sparkassen-Arena Kiel sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Athleten aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland sind mit ihren Familien, Trainern und Betreuern gekommen, um live dabei zu sein, wenn das Feuer der Spiele entfacht wird. Begleitet vom Jubel der Teilnehmer erleben wir eine einzigartige Show – von Akrobatik über Sandmalerei bis hin zum gemeinsamen Singen der Special Olympics Hymne „Ich gewinn“. Die Vorfreude der Athleten ist hier förmlich spürbar. Schließlich haben sie sich alle lange auf dieses Ereignis vorbereitet und fiebern den ersten Wettkämpfen entgegen.
Als wir am Dienstagmorgen die Bresthalle im Kieler Süden betreten, sitzen schon einige Athleten auf den Rängen – sie sind aufgeregt und können kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Das Helferteam von Henkel ist beim Boccia eingeteilt. Zu unseren Aufgaben gehört es, die Athleten abzuholen und zur richtigen Bahn zu bringen sowie gemeinsam mit dem Schiedsrichter den Spielverlauf zu leiten. Anfangs brauchen sowohl die Athleten als auch die Helfer ein bisschen Zeit, um warm zu werden und Berührungsängste abzubauen. Aber schon bald weichen wir Helfer „unseren“ Athleten beim Spiel nicht mehr von der Seite, unterstützen sie moralisch, feuern sie an und nehmen ihnen so ein Stück weit die Aufregung.
Die Begegnungen mit den Athleten sind dabei ganz unterschiedlich: Manche sind eher zurückhaltend, können sich nicht so gut artikulieren oder brauchen ein bisschen, um aufzutauen, andere fallen einem direkt um den Hals und erzählen, was in ihnen vorgeht. Eins haben jedoch alle Begegnungen gemeinsam: Sie sind von gegenseitigem Respekt und Herzlichkeit geprägt. Auch untereinander geht es fair zu: Die zwei Spieler an einer Bahn sehen sich nicht als Gegner, sondern als Spielpartner. Ein gewisser Ehrgeiz gehört natürlich dazu, aber der Spaß am Spiel steht eindeutig im Vordergrund. So auch für Monika Breitkopf von der Stiftung Antonius Netzwerk Mensch aus Fulda, die an meiner Bahn spielt. Ich habe sie mit ihrem strahlenden Lächeln und ihrer offenen Art sofort ins Herz geschlossen. Sie erzählt mir, wie sie sich vorbereitet hat und dass sie in den nächsten Tagen auch noch gemeinsam mit ihrem Mann als Team im Mannschaftswettbewerb teilnimmt. Am Ende des ersten Tages steht sie auf dem Siegertreppchen an dritter Stelle – und freut sich riesig über ihre Bronzemedaille.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch Bianca Klose vom Verein Soziale Förderstätten aus dem ebenfalls hessischen Bad Hersfeld. Als sie im Finale antritt, verrät sie mir: „Eigentlich reicht es mir, Zweite zu werden. Das Treppchen für die Gewinnerin ist mir eh zu hoch“. Bianca hat sich jedoch so gut geschlagen, dass sie doch auf das Siegerpodest muss. Ich verspreche ihr, dass ich sie festhalte und bei der Siegerehrung steht sie stolz ganz oben.
Bei der Siegerehrung reiht sich ein rotes T-Shirt an das nächste: Die Helfer stehen Spalier für die Athleten, die der Reihe nach – teils sichtbar triumphierend und stolz, teils schüchtern und bescheiden mit gesenktem Kopf – das Podest betreten. Aufsteigend von Platz fünf bis Platz eins werden die Platzierungen verkündet und die Medaillen verteilt – selbstverständlich erhält jeder eine und ist somit Gewinner. Der Goldmedaillen-Träger hat jedoch die besondere Ehre, sich einen Song auszusuchen, der bei der Siegerehrung für ihn gespielt wird. So kommt es, dass wir über die vier Tage einige Male in den Genuss von Bon Jovis „It’s my life“ oder Tina Turners „Simply the best“ kommen. Zum Abschluss folgt eine dreifache La-Ola-Welle, wenn die Athleten die Bühne verlassen. Am Ende eines jeden Tages fallen wir erschöpft und voller neuer Eindrücke ins Bett.
Ich verlasse Kiel mit einem Gefühl von Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich bei so einem Event dabei sein durfte, dass ich diese einzigartige Stimmung miterleben und meinen Horizont erweitern durfte. Die vielen Begegnungen mit den Athleten haben mir gezeigt, dass ein Handicap einen nicht davon abhalten muss, außerordentliche Leistungen zu erbringen. Im Sport und im Leben geht es darum, sein volles Potenzial auszuschöpfen, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten, zu akzeptieren was man nicht ändern kann und an die eigene Kraft zu glauben. Ich bewundere die Stärke und die unglaubliche Lebensfreude der Athleten und ich bin mir sicher, dass dieses Erlebnis noch lange nachwirken wird.
Als ich am Montag darauf wieder ins Büro komme, bin ich etwas enttäuscht, nicht mit einer La-Ola-Welle von meinen Kollegen begrüßt zu werden. Natürlich fragen mich aber viele, wie ich die Special Olympics erlebt habe und ich kann nur jedem ans Herz legen, beim nächsten Mal selbst dabei zu sein.