Interview

Die EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR): Wandel zu einer nachhaltigeren Industrie

Interview mit Carsten Bertram, Head of Packaging Sustainability für Henkel Consumer Brands, darüber, wie sich Henkel auf die Verordnung vorbereitet und wie die PPWR das Einkaufserlebnis von Verbraucher:innen beeinflussen wird

Kreislaufwirtschaft 04.09.2024

Produkte geliefert in übergroßen Kartons oder Verpackungen, die mehr Luft statt Produkt enthalten: Das ist bald Geschichte. Denn die kommende EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) wird Verpackungen in ganz Europa verändern. Ziel der Verordnung ist es, Abfall und dessen Auswirkungen auf die Umwelt deutlich zu reduzieren. Recyclinggerechtes Design, Verpackungsminimierung und die Verwendung von recyceltem Kunststoff sind drei zentrale Anforderungen, die die Verordnung ab 2030 an alle neuen Verpackungen stellt, die auf den Markt kommen. Aber das ist nicht alles, was sich ändert: Mehrwegquoten, Pfandsysteme für Flaschen und verbesserte Abfallmanagementsysteme werden unser Einkaufserlebnis und die Entsorgung unserer leeren Produkte erheblich verändern.

Carsten Bertram, Head of Packaging Sustainability für Henkel Consumer Brands, gibt einen Einblick in die kommende Verordnung und erläutert die Maßnahmen, die Henkel zur Anpassung ergriffen hat.

Carsten, was sind die Ziele der Verordnung?

Mit der Verordnung werden zwei Hauptziele verfolgt. Zum einen soll die Menge an Verpackungen und Verpackungsabfällen reduziert werden, zum anderen sollen – als Teil des europäischen Grünen Deals – auch die Auswirkungen auf das Klima verringert werden. Und das geschieht durch mehrere Maßnahmen: Alle Verpackungen, die auf den Markt kommen, müssen für das Recycling ausgelegt sein. Außerdem müssen sie recycelten Kunststoff enthalten. Darüber hinaus gibt es Anforderungen wie Mehrwegquoten für bestimmte Kategorien wie Getränke sowie zur Verpackungsminimierung. Alles in allem ein interessantes Programm aus Sicht der Verbraucher:innen, da es die Auswirkungen von Verpackungen und Verpackungsabfällen auf die Umwelt deutlich reduzieren wird.

Kannst du einige Beispiele nennen, wie die Reduzierung von Abfall und die Abschaffung unnötiger Verpackungen erreicht werden kann?

Das beste Beispiel ist unser Online-Shopping-Erlebnis. Wir als Verbraucher:innen bekommen mitunter ein gekauftes Produkt in einem übergroßen Karton nach Hause geliefert. Die Verordnung sieht vor, dass in solchen Versandkartons künftig maximal 50 Prozent Leerraum zulässig ist. Ein weiteres Beispiel sind Produktverpackungen, die man im Supermarkt kauft und die viel unnötigen Freiraum enthalten. Diese dürfen nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Künftig müssen alle Hersteller – egal ob es sich um Lebensmittel, Spielzeug oder bei Produkten aus dem Non-Food-Bereich handelt – die Verpackungen so voll wie technisch möglich befüllen. Das hat zur Folge, dass alle Verpackungen kleiner werden – und zwar nicht nur die Verpackungen, die man als Verbraucher:in kauft, sondern auch die Transportverpackungen in der Logistik, die Verbraucher:innen normalerweise nicht sehen.

Porträtfoto von Carsten Bertram, Head of Packaging Sustainability für Henkel Consumer Brands

Henkel hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2025 alle Verpackungen für das Recycling zu konzipieren.

Ab 2030 müssen alle Verpackungen zu 100 Prozent recycelbar sein, um zugelassen zu werden. Wie ist der aktuelle Stand der Entwicklung und was sind die nächsten Schritte für Henkel und die gesamte Industrie?

Heute liegt bei Henkel die Anzahl der Verpackungen, die für das Recycling konzipiert sind, bei 87 Prozent. Es gibt noch einige Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, aber mitunter sind dies auch Herausforderungen, die wir weltweit haben. Wenn man sich die Branche im Allgemeinen anschaut, gibt es immer noch Verpackungen im Supermarkt, die aus Gründen wie technische Leistung, Qualität, Hygieneanforderungen und anderen Faktoren nicht recycelbar sind. Henkel hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2025 alle Verpackungen für das Recycling zu konzipieren. Daran arbeiten wir schon seit geraumer Zeit – wie auch andere Industrieunternehmen.

Mit Blick auf die Zukunft wird die Industrie mehr Investitionen tätigen müssen. Einige der recycelbaren Lösungen könnten teurer sein. Unternehmen wie Henkel haben bereits damit begonnen, in flexible Verpackungen aus einem einzigen Material (Monomaterial) zu investieren, wie zum Beispiel die Kunststoff-Standbeutel für Geschirrspültabletten. In der Vergangenheit bestanden diese aus zwei verschiedenen Materialien, die nicht miteinander kompatibel waren. Das hatte zur Folge, dass sie nicht recycelt werden konnten. Vor zwei Jahren wurden dann diese Produktverpackungen für die Marke Somat umgestaltet und bestehen seitdem aus einem einzigen Material, nämlich Polyethylen, das recycelt werden kann. Dafür mussten wir jedoch in neue Maschinen in unseren Fabriken investieren.

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What will change with the new EU Packaging and Packaging Waste Regulation? – The PPWR explained

Du möchtest mehr Einblicke erhalten, wie sich die PPWR auf die Industrie und Verbraucher:innen auswirken wird? Dann höre dir jetzt das volle Interview mit Carsten (auf Englisch) in unserem Nachhaltigkeitspodcast Fritz for Future an! 

Werden Unternehmen durch die Verordnung Geld sparen, weil sie weniger Materialien benötigen? Mit anderen Worten, ist es eine Win-Win-Situation für sowohl die Umwelt als auch die Industrie?

Wenn wir das Thema ganzheitlich betrachten, gibt es Bestandteile der Verordnung, die zunächst zu kurzfristigen Investitionen in die Umstellung auf recyclingfähige Verpackungen führen werden. In vielen Fällen sind neue Maschinen erforderlich. Aufgrund der Marktsituation können auch die Preise für recyceltes Plastik steigen. Aber die Anforderungen an die Verpackungsminimierung werden helfen, Kosten einzusparen. Verpackungen zu verkleinern, spart Geld bei der Verpackungsherstellung und bei der Logistik, da weniger Lastwagen eingesetzt werden müssen. Wie sich dies am Ende auswirkt – ob es sich um neutrale Effekte, Einsparungen oder Kostensteigerungen handelt - lässt sich noch nicht sagen, da dies stark von der Marktdynamik abhängt.

Wer wird von der neuen Verordnung betroffen sein?

Jede Branche wird betroffen sein. Es handelt sich um einen hohen bürokratischen Aufwand, und jedes Unternehmen steht vor der Herausforderung, den Umfang an erforderlichen Unterlagen zu bewältigen. Es gibt einige Industriezweige, die besonders herausgefordert sind. Ein Beispiel ist die Luxusbranche. Wenn wir von Luxus sprechen und über Verpackungen nachdenken, geht es oft um die "Unboxing"-Erfahrung. Angenommen, man hat ein kleines Parfümfläschchen. Das liegt in einem schicken Karton, welcher wiederum in einen größeren Karton verpackt wurde. Ein Großteil des Konsumerfahrung beruht hier auf der enormen Menge des verwendeten Verpackungsmaterials. Oft wurde bei Luxusverpackungen auch nicht an ein recyclinggerechtes Design gedacht. Die Branche muss sich also neu erfinden, denn diese Art von überdimensionierten Verpackungen, die in der Vergangenheit als luxuriös bezeichnet wurden, wird es in Zukunft nicht mehr geben.

Porträtfoto von Carsten Bertram, Head of Packaging Sustainability für Henkel Consumer Brands

Es ist ein schrittweiser Ansatz. Die Verbraucher:innen werden es hier und da bemerken, aber die größere Veränderung wird sich erst über einen längeren Zeitraum hinweg bemerkbar machen – denn Marken wie Henkel machen bereits heute die nächsten Schritte.

Welche Änderungen wird Henkel vornehmen müssen?

Wir haben bereits vor der Veröffentlichung der PPWR damit begonnen, darüber nachzudenken, wie unsere Verpackungen umgestaltet werden müssen, damit sie kreislauffähiger werden. Ein gutes Beispiel ist unsere Persil-Flasche. Bis vor einigen Jahren war die Flasche für das Flüssigwaschmittel durchsichtig und man konnte die enthaltene Flüssigkeit für die verschiedenen Varianten sehen. Damals haben wir ein Verpackungsmaterial verwendet, das es uns nicht ermöglichte, recyceltes Plastik zu integrieren. Vor etwa zwei Jahren haben wir das Material auf hochdichtes Polyethylen umgestellt, das zu 50 Prozent aus recyceltem Kunststoff besteht. Seitdem sind die Flaschen weiß. Denn für recyceltes Plastik aus Polyethylen gibt es kein hochtransparentes Material auf dem Markt. Aber es ist immer Weißliches verfügbar. Deshalb haben wir beschlossen, die Markenästhetik anzupassen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir diesen mutigen Schritt gewagt haben. Und damit zeigen, dass auch Marken wie Persil bereit sind, solche Veränderungen vorzunehmen und die gesamte Erscheinungsform der Marke zu überdenken, um einen hohen Anteil an recyceltem Kunststoff einzusetzen.

Als Verbraucher:innen gehen wir alle in Supermärkte oder Drogerien. Wie werden wir mit Blick auf die Regale dort die neue Verordnung bemerken?

Die erste Veränderung, die man in vielen Märkten sehen wird, sind die Pfandrücknahmesysteme: Man wird seine Getränkeflaschen in die Supermärkte zurückbringen müssen – ein Konzept, mit dem viele in Deutschland und anderen Ländern vertraut sind. Das wird die neue Norm für Getränke werden. Man wird auch mehr Fälle von Mehrfachverwendung und mehr Nachfüllstationen sehen. Was wir auch erwarten, ist, dass wir weniger starke Individualisierung im Regal beobachten. Aufgrund der Anforderungen an das Design für das Recycling werden die Verpackungen zunehmend standardisiert. Der Aufdruck kann zwar immer noch unterschiedlich ausfallen, aber bestimmte Verpackungsformate werden wir nicht mehr antreffen. Aber die Umstellung wird nach und nach erfolgen. Es ist ein schrittweiser Ansatz. Die Verbraucher:innen werden es hier und da bemerken, aber die größere Veränderung wird sich erst über einen längeren Zeitraum hinweg bemerkbar machen – denn Marken wie Henkel machen bereits heute die nächsten Schritte.

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