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Die kleine Wohnung war frisch angemietet, und er sah alles ganz klar vor sich. Er würde seine Idee realisieren – gemeinsam mit seinen zwei Partnern. Zur Wohnung in Aachen gehörte auch ein Fabrikgebäude: 715 Quadratmeter voller Potenzial – dem Potenzial, ein Imperium aufzubauen und ein neues Produkt auf den Markt zu bringen.
Aber der Start-up-Gründer musste bald erkennen, dass Unternehmerträume auch eine Kehrseite haben: Es galt, Risiken einzugehen und eine Menge Unsicherheit auszuhalten, denn Fehlschläge gehören nun mal zum Erfolg dazu.
„[…] ich erklärte mich bereit, gemeinsam mit der Rheinischen Wasserglasfabrik ein Waschmittel, welches wir damals unter dem Namen ‚Universal-Waschmittel‘, ein Name, der mir persönlich nie recht gefiel, in den Handel brachten, herzustellen. Die Fabrikation war sehr teuer […]. Wir sahen sehr bald ein, dass dieses Produkt nicht lebensfähig war“, erinnerte sich der Gründer rückblickend.
Dinge ausprobieren und Misserfolge akzeptieren: Das gehört zum täglichen Brot eines echten Unternehmers. Der Gründer experimentierte deshalb weiter, auch als die erste Produkteinführung erfolglos blieb. Er optimierte die Produktformel, verbesserte die Leistung – und so wurde das Waschmittel zum Marktführer. Der Name des Produkts war „Henkel’s Bleich-Soda“ und der Vordenker des Start-ups war Fritz Henkel. Die hier geschilderte Erfolgsgeschichte hat ihren Ursprung im Jahr 1876, hätte aber genauso gut im 21. Jahrhundert stattfinden können. Das Start-up-Konzept ist also nichts Neues. Auch Henkel hat mal klein angefangen und tauscht sich heute als Weltkonzern mit jungen Gründern aus.
“Groß denken und klein anfangen“, so das Credo in vielen Start-ups. Es gibt keine vorgegebenen Prozesse oder Entscheidungsstrukturen, man agiert flexibel und somit auch effizient. „Scheitere oft und frühzeitig“ ist ihr Mantra, und es soll den Beteiligten die so menschliche Angst vor Misserfolgen nehmen. Psychologisch gesehen ist diese Angst jedoch wichtig und Teil des Erfolgs.
„Angst zu haben ist der Beweis, dass man sich am äußeren Rand seiner Komfortzone bewegt, und wenn man diese Grenze verschiebt, befindet man sich dort, wo Wachstum und Lernen stattfinden. Denn dort, wo sich Angst und Zweifel kreuzen, befindet sich der ideale Punkt für mögliche Erfolge. Dort liegt das Spielfeld für neue Chancen und Innovationen.“
Psychologe und Weltklasse-Bergsteiger Matt Walker in
Psychology Today
Wie sieht also ein Arbeitsumfeld aus, das produktive Misserfolge fördert? Es ist agil, transparent und kollaborativ. „An der Methode hängt es meistens nicht, sondern das Mindset macht den Unterschied,“ erläutert Friederike Feld, Agile Coach bei Sipgate. „Für große Unternehmen ist es deutlich schwieriger die Einstellung der Mitarbeiter zu ändern. Oftmals guckt jeder nur auf seinen Bereich, aber nie auf das Gesamtergebnis. Wenn man es schafft alles ein bisschen näher zusammenzubringen und dann noch die Kundensicht mitreinbringt, dann ist da schon wahnsinnig viel drin.“
Jung, wild und kreativ – so stellen sich viele Konzernmanager die typische Start-up-Kultur vor. Und von dieser hätten sie gern mehr. Etablierte Strukturen, wichtige Kontakte und finanzielle Mittel – das ist die Normalität großer Unternehmen und der Wunsch vieler Start-ups. Was beide Seiten voneinander lernen können und wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelingt, erklärt Ben Dammertz, Gründer des Düsseldorfer Start-ups Foxbase, im Interview.
Ben, du bist selbst Gründer, aber hast auch schon mal Konzernluft geschnuppert. Welche Kompetenzen haben große Unternehmen, von denen Startups sich eine Scheibe abschneiden können?
Große Unternehmen haben in erster Linie ein bereits etabliertes Geschäftsmodell. Und sie haben uns Start-ups voraus, dass sie Prozesse so aufeinander abgestimmt haben, dass sie in der Regel reibungslos funktionieren. Das müssen Start-ups – gerade in Wachstumsphasen – erst noch aufbauen.
Und was können Start-ups besser als Konzerne?
In einer kleinen Organisation arbeitet man schneller und unabhängiger. Wir setzen auf so genannte Sprints. Das heißt: Wir definieren für einen festgelegten zeitlichen Abschnitt bestimmte Ziele. Danach bewerten wir, was wir erreicht haben und was wir noch verbessern müssen. Dann beginnt das Spiel von vorne und wir setzen neue Ziele. Mit dieser Methodik kann man in kürzester Zeit innovative Lösungen entwickeln, die sofort umsetzbar sind.
Es gibt also Vor- und Nachteile in beiden Organisationstypen. Was ist wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit?
Bei gemeinsamen Projekten müssen Mitarbeiter beider Organisationen offen für die jeweils anderen Ansätze zu sein. Wir arbeiten zum Beispiel sehr agil: Wir bauen schnell einen Prototyp des Endprodukts, um frühzeitig Feedback von Kunden und Nutzern im Unternehmen einholen zu können. Das ist für Unternehmen oft ein ungewohnter Ansatz, auf den sie sich einlassen müssen.
Als Start-up muss man sich dagegen Verständnis dafür zu entwickeln, dass der Partner weitere Termine und Projekte hat und somit nicht immer greifbar ist, sodass alles ein wenig länger dauert als man es aus dem eigenen Umfeld gewohnt ist.
Die Basis für eine gute Zusammenarbeit ist natürlich erstmal, dass man sich findet…
Das stimmt! Jungen Start-ups kann ich nur empfehlen, umtriebig zu sein, beispielsweise Veranstaltungen zu besuchen und so für Konzerne sichtbar zu sein. Sie müssen Mut zeigen und selbstständig auf Unternehmen zugehen können. Die Meinung zu vertreten, dass man einzigartige Fähigkeiten in die Zusammenarbeit einbringen kann oder sogar schon ein sehr gutes Produkt anzubieten hat, ist natürlich gut. Aber das bedeutet nicht, darauf zu warten, dass Konzerne selbst auf einen zukommen. Diese wiederum sollten regelmäßig überprüfen, wie sich außerhalb ihres Unternehmens der Markt verändert, welche Ideen entstehen und welche Lösungen Andere entwickeln.
Ein regelmäßiger Austausch zwischen großen Unternehmen und Start-ups kann also Inspiration liefern, den Gründergeist fördern und Innovationen hervorbringen. Henkel hat dafür die Plattform Henkelx geschaffen: Ziel ist es, internes Know-how mit der Expertise und der Kreativität externer Partner aus dem Digitalbereich zusammenzuführen. „Über unser Henkelx-Netzwerk haben wir 15 Start-ups ausgewählt und sie gebeten, uns ihr Geschäftsmodell zu präsentieren. Inzwischen arbeiten wir mit neun dieser Start-ups zusammen“, erklärt Marius Swart, bei Henkel im Team des Chief Digital Officers.
Nicht nur Kooperationen mit Start-ups sondern auch das Investment in diese kann Unternehmen voranbringen. Vor kurzem investierte Henkel beispielsweise in den Investmentfond von China Materialia, um Zugang zur wachsenden Start-up-Szene für neuartige Materialien in China und in benachbarten asiatischen Märkten zu erlangen. „Wir arbeiten mit Start-up-Unternehmen zusammen und unterstützen sie dabei, ihre innovativen Ideen bzw. ihre Technologien zu entwickeln. Dabei können sie von unserem Know-how für Kunden und Konsumenten weltweit profitieren. Das gilt auch für unser Portfolio mit führenden Marken sowie unsere Expertise, Innovationen und neue Technologien erfolgreich in Märkte einzuführen“, sagt Robert Günther, Mitglied des Kernteams von Henkel Ventures.
Die kleine Wohnung in Aachen ist inzwischen zwar längst Geschichte und Henkel hat sich zum Weltkonzern mit über 53.000 Mitarbeitern entwickelt. Der Gründergeist von Fritz Henkel lebt jedoch weiter…