Pulver, Öle und Gels mit Rosenduft oder Zitronenaroma – in den Regalen der Drogeriemärkte scheint jeder Wunsch wahr zu werden. Dass die Produkte dem Zeitgeist entsprechen und pünktlich zu neuen Trends auf den Markt kommen, verdanken die Hersteller kreativen Köpfen und professionellen Innovationsprozessen.
Lifestyle-Experten wissen: Hygge war gestern. Die dänische Gemütlichkeit hat in den vergangenen Jahren das Design kleiner Cafés bestimmt und Wohlfühlmode aus Naturmaterialien populär gemacht. Seit 2017 kommt das neue Lebensgefühl aus Schweden: „Lagom“ heißt so viel wie „gerade richtig“ und beschreibt ein Leben in Balance, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Das gilt für Mode, Ernährung und für Pflegeprodukte. Im Herbst 2017 hat Henkel die schwedische Kosmetikmarke Barnängen völlig neu aufgelegt und in zahlreichen europäischen Märkten eingeführt. Die Pflegeserie passt zur ausgeglichenen Haltung: nicht zu viel und nicht zu wenig. Dass sich Lagom in dieser Saison auch außerhalb Schwedens durchsetzen würde, haben Beauty Care-Spezialisten von Henkel schon früh erkannt.
Wenn Unternehmen Trends auf ihre Marken übertragen, springen sie nicht einfach auf einen fahrenden Zug auf. Henkel entwickelt neue Produkte nicht für die nächste, sondern für die überübernächste Saison. Um zur richtigen Zeit das passende Konzept zu haben, braucht es eine umfassende Marktanalyse, viel Planung, Inspiration und manchmal auch ein bisschen Glück.
Zwischen Chance und Risiko
„Auch bei Trends gibt es Spielregeln“, erzählt Jens Bode, Trend Explorer & Innovation Game Changer für den Unternehmensbereich Laundry & Home Care bei Henkel. Jeder Trend hat seinen Gegentrend und birgt Chance und Risiko. „Wir erarbeiten mehrere Szenarien und denken sie durch, um zu sehen, wie sie unser Geschäft berühren.“ Bode begleitet seit mehr als 15 Jahren die Innovationsprozesse im Konzern. „Es geht darum, Muster, Regeln und Paradigmen zu erkennen – und sie dann konsequent zu brechen, um auf neue Ideen zu kommen. Warum zum Beispiel sollte Flüssigwaschmittel immer in Flaschen verkauft werden?“ Mit einem Zwinkern bezeichnet Bode sich selbst als „eine Mischung aus internem Berater, Kreativkopf und Agentur“. Seine Aufgabe ist es, Neues zu entdecken und seine Kollegen permanent zu inspirieren.
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Lange Zeit waren Innovationen vor allem technologiegetrieben. Die Impulse gaben hauptsächlich die Forschungs- und Entwicklungseinheiten. Früh stellte Henkel jedoch die Verbraucher in den Mittelpunkt des Innovationsprozesses. Henkel-Mitarbeiter schauen ihnen zum Beispiel beim Spülen zu, begleiten sie beim Einkauf, beobachten ihre alltäglichen Rituale oder stellen ihnen Fragen, während sie sich die Haare färben.
„Eine große Portion Neugierde ist hier essentiell. Es gilt, eine perfekte Balance aus Impulsen von Kundenbeobachtungen, technologischen Entwicklungen und Trends sowie Zukunftsszenarien zu finden“, erklärt Bode. Neben der Orientierung an dem, was technisch möglich ist, und dem Kundenfokus fällt das Schlaglicht der Innovationsmanager also auch auf das, was kommen wird: die großen Trends und gesellschaftlichen Entwicklungen. Gemischte Teams gehen der Frage nach, wie die Welt in fünf, zehn oder 20 Jahren aussieht. Was wird die Menschen bewegen? Wie leben sie? Und welche Konsequenzen kann das für Unternehmen haben?
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Möglichst jede Quelle nutzen
Henkel ist es wichtig, möglichst viele unterschiedliche Impulse heranzuziehen. „Es gibt praktisch keine Quelle, die wir nicht nutzen“, so das Credo. Die Henkel-Experten sind beispielsweise auf Messen unterwegs und besuchen oft bewusst Veranstaltungen, die auf den ersten Blick nichts mit der eigenen Branche zu tun haben – und sie dennoch beeinflussen. „Uns interessiert, ob immer mehr vegane Lebensmittel oder Convenience-Food-Produkte auf den Markt kommen, ob es eine Entwicklung zu matten Möbeloberflächen gibt oder ob Millennials heute ganz andere Bedürfnisse haben als Babyboomer. All das sind Impulse und Bausteine für die gemeinsame Ideenentwicklung mit unseren Experten und Fachabteilungen“, sagt Bode.
Im Unternehmensbereich Beauty Care beobachten die Mitarbeiter genau, wie sich Menschen kleiden – auf den internationalen Laufstegen ebenso wie in den Straßen von Tokio, Berlin oder London. „Fashiontrends inspirieren uns bei der Entwicklung neuer Haarfärbe- und Stylingprodukte, aber auch beim Design von Verpackungen“, sagt Ines Hambsch, Marketing Manager International für Beauty Care bei Henkel. Sie und ihre Kollegen arbeiten unter anderem eng mit Trendagenturen zusammen. Wie der Kunde lebt und was ihn beschäftigt, steht auch für sie im Zentrum des Innovationsprozesses. Dazu gehört es, sich intensiv mit ausgewählten Zielgruppen zu beschäftigen. Zum Beispiel in einem sogenannten „Meet your target group-Workshop“, bei dem sich Mitarbeiter mit allen Sinnen in den Kunden hineinversetzen: in Männer, Millennials oder Silver Ager. „Dann schlüpfen wir in ihre Rolle, um die Produkte so zu erleben wie sie“, erklärt Hambsch. „Darüber hinaus bieten uns digitale Tools viele Möglichkeiten, um unsere Verbraucher und ihr Verhalten noch besser zu verstehen. Welche Themen werden online diskutiert? Was sind die Trends im Netz? All das interessiert uns natürlich“.
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Mitmachen, teilen, inspirieren
Bei Henkel sollen sich alle für Innovationen zuständig fühlen. „Jeder ist aufgerufen, Augen und Ohren offen zu halten und seine Ideen zu teilen. Das ist Teil unserer Kultur“, sagt Hambsch. Viele Mitarbeiter beherzigen den Aufruf und beteiligen sich direkt über eine digitale Innovationsplattform. Weltweit können sie ihre Ideen und Eindrücke einreichen. Anschließend prüfen Experten die Beiträge, entwickeln Aussichtsreiches weiter und beginnen zu testen.
Jens Bode ist wichtig, dass möglichst alle eine Sensibilität und ein Gespür für Trends entwickeln und ihr „Neugierde-Gen“ trainieren. Was macht einen bestimmten Trend aus? Was sind die Treiber? Wie reagieren andere Branchen darauf? Mitarbeiter trainieren unterschiedliche Kreativitätsmethoden, gehen strukturiert, aber auch spielerisch mit Impulsen um, inspirieren sich gegenseitig, entwickeln Ideen, schreiben Konzepte und bauen Prototypen. „Provokant gesagt ist Innovation eigentlich ganz einfach“, meint Bode. „Es ist alles da, man muss es nur sehen und aufgreifen, neu miteinander verknüpfen und kombinieren.“
Hat eine Idee das Potential zum Markterfolg, dann greift ein strukturierter Prozess. „Aus einer Idee wird ein Konzept, das wir als interdisziplinäres Team ausarbeiten. Dazu gehören Produktformulierungen, Verpackungsdesigns und Kalkulationen“, erklärt Ines Hambsch. „Und natürlich eine Reihe von Tests.“ Beim Regaltest wird zum Beispiel überprüft, ob der Kunde ein Produkt wahrnimmt oder es einfach übersieht. Verbraucher testen Produktmuster auch vorab zu Hause und bewerten anschließend Wirkung oder Handhabung. „Der fertige Business Case durchläuft einen internen Abstimmungsprozess, an dessen Ende die Umsetzung und die Vorbereitung der Markteinführung stehen“, so Hambsch. Und auch wenn das neue Produkt im Regal steht, verlässt es den Sichtbereich der Innovationsexperten nicht: Sie verfolgen die Verkäufe und messen den Erfolg. Bei Bedarf werden einzelne Aspekte überarbeitet.
Bis der Kunde ein neues Produkt im Regal sieht, können mehrere Monate vergehen – oder auch einmal einige Jahre. Zum Beispiel, wenn eine neue Fabrik für ein spezielles Produktformat gebaut werden muss. Ergänzungen oder Erweiterungen bestehender Linien sind in der Regel schneller fertig. Und manche Trends setzen die Teams sogar innerhalb weniger Monate um: So brachte Henkel im Sommer 2017 unter der Marke Fa ein Flamingo-Duschgel auf den Markt. Das Team hat den Flamingo als Trend wahrgenommen und schnell reagiert. Das ist zwar nicht disruptiv, eher ein Marketing- und Duftthema. „Es zeigt aber, dass wir Trends beobachten und kurzfristig umsetzen“, so Hambsch.
Auch der Blick über die Landesgrenze hinweg ist wichtig. „Das Thema Innovation sollte global betrachtet werden, da sich Trends und Kundenbedürfnisse regional unterscheiden“, erklärt die Managerin. Regelmäßig untersuchen die kreativen Köpfe Produkte in anderen Märkten und prüfen, welche Trends sich von ihnen für andere Regionen ableiten lassen und wo diese relevant werden können. Die Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung stehen zudem im Austausch mit ihren Kollegen weltweit. Schließlich betreibt Henkel rund um den Globus eigene Innovations- und Entwicklungsstandorte. Sie sind Drehscheiben für lokale Trends und die Bedürfnisse der Kunden vor Ort.
Trotz der internen Plattformen, eines gut strukturierten Innovationsprozesses, intensiver Scouting-Aktivitäten und kreativen Talenten mit vielen Ideen, gibt es ein paar Fragen, für die Ines Hambsch und Jens Bode noch keine Lösung haben. „Das Faszinierende an unserer Arbeit ist, dass sich die Bedürfnisse und Wünsche der Konsumenten ständig verändern. Das motiviert uns, heute schon daran zu denken, was morgen wichtig wird“, sind sich Hambsch und Bode einig.