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Wie Düfte unser Produkterlebnis prägen

So entstehen Parfüm-Innovationen im Henkel Fragrance Center

Innovation 27.06.2024

Sauber riecht man nicht, sauber ist sauber. Trotzdem verbinden die meisten Menschen einen Geruch, ja sogar ein Gefühl, mit sauberer, frisch gewaschener Wäsche. Der Geburtsort dieser Emotion liegt bei Henkel-Produkten in Krefeld: Im Henkel Fragrance Center (HFC) komponieren Parfümeur:innen den Duftkosmos von Henkel. Schon seit 1956 werden dort die spezifischen Gerüche für Waschmittel, Reiniger, Seifen und Shampoos entwickelt. 

Marc-Steffen Schiedel, promovierter Chemiker und langjähriger Henkel-Mitarbeiter, leitet seit vier Jahren das Henkel Fragrance Center. „Heute sind rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krefeld beschäftigt: in der Forschung & Entwicklung und Produktion“, erklärt Marc-Steffen.

Warum sind Düfte in Produkten wichtig? „Das hat viel mit Emotionen zu tun“, sagt er. Ein Duft kann positive Erinnerungen hervorrufen, wie Lavendel an den letzten Urlaub oder der Persil-Geruch an die Kindheit bei der Oma. „Der Duft von Frische wie bei Persil steht für Sauberkeit und vermittelt positive Gefühle“, so der HFC-Chef. Parfüms sind für Henkel entscheidend, um zum einen das Herz der Verbraucher:innen zu erreichen und zum anderen auch Leistungsfaktoren wie Reinheit und Sauberkeit zu vermitteln. Seit 1959 riecht Persil nach dem Waschmittel, davor war es geruchsneutral.

Eine Duftklaviatur mit 1.200 Noten

Was so einen Duft alles ausmacht, weiß Manuela Materne: Die Henkel-Mitarbeiterin ist eine von weltweit gerade einmal rund 1.000 Parfümeur:innen. „Meine Aufgabe ist es, aus den verfügbaren rund 1.200 natürlichen und synthetischen Rohstoffen Düfte für Henkel zu kreieren“, sagt sie. Doch wenn sie weiterredet, entwirft sie das Bild einer Komponistin, die aus Kopf-, Herz- und Basisnoten ein stimmiges Kunstwerk erschafft. „Wie eine Musikerin, die Noten aneinanderreiht und so ein Lied oder eine Oper komponiert, kreiere ich eine harmonische Zusammensetzung aus verschiedenen Duftnoten“, beschreibt es die Spezialistin. Zunächst hat sie den Duft für ein Produkt im Kopf, dann werden am Computer die unterschiedlichen Noten zusammengeführt. Und am Ende entsteht aus 50 bis 150 Bestandteilen ein neuer Duft. Persil, das hat sie nicht komponiert, Manuela aber ist die Nase und das Gehirn hinter den Gerüchen und Emotionen von Perwoll oder Vernel Frischer Morgen. 

Porträt-Foto von Marc-Steffen Schiedel, Standortleiter Henkel Fragrance Center

Düfte spielen eine essenzielle Rolle für unser Produkterlebnis. Denn sie können die Produktleistung verstärken und verschiedenste Emotionen in uns hervorrufen.

Doch häufig liegen Kleidungsstücke drei Wochen im Schrank und sollen dann noch frisch riechen. „Eine echte Herausforderung“, sagt die Parfümeurin. Sie erklärt die Duftpyramide: Die Kopfnote (z.B. Mandarine, Zitrone) duftet nur Minuten, die Herznote (z.B. Blumendüfte, Gewürze) einige Stunden, und die Basisnote (z.B. Zedernholz, Sandelholz, Moschus, Vanille) hält mehrere Tage.

Aufgabe der Forschung ist es laut Marc-Steffen, den Duft insbesondere der Kopfnote über einen längeren Zeitraum hinweg auf dem Textil zu erhalten. Bei den Duftkomponenten handelt es sich um kleine Moleküle. „Damit diese sich nicht verflüchtigten, erhalten sie eine Art Anker, mit dem sie sich am Textil festhalten können.“ Fachleute bezeichnen die Ankermodule als „Precursor“, also als Vorläufer des jeweiligen Riechstoffes.

Bei der Entwicklung von Düften verlassen sich die Expertinnen und Experten in Krefeld jedoch nicht nur auf ihre eigenen Nasen. Sie führen umfangreiche Trainings und Tests durch. Zum einen innerhalb des Unternehmens mit Kolleginnen und Kollegen vom Marketing, um deren Wünsche für neue Düfte besser zu verstehen und umsetzen zu können. Zum anderen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, um deren Bedürfnisse kennenzulernen.

So werden Emotionen bei Düften wissenschaftlich gemessen

Dabei kommen auch neurowissenschaftliche Methoden wie die Elektroenzephalographie (EEG) zum Einsatz. Bei dieser Methode werden auf der Kopfhaut Elektroden platziert, die sogenannte Hirnstromwellen des Gehirns kontinuierlich erfassen, verstärken und aufzeichnen. „Düfte spielen eine essenzielle Rolle für unser Produkterlebnis. Denn sie können die Produktleistung verstärken und verschiedenste Emotionen in uns hervorrufen. Mit EEG können wir genau ermitteln, wie die Testpersonen auf einzelne Parfüms emotional reagieren“, erläutert Marc-Steffen. Wichtige Erkenntnisse gewinnen die Expert:innen aus Krefeld auch dadurch, dass sie bei Befragungen den Puls, den Blutdruck oder die Herzrate der einzelnen Testpersonen messen. „So sehen wir, welche Düfte am besten ankommen“, sagt der HFC-Chef.

Das kann sich im Laufe der Jahre durchaus ändern. Deshalb werden einzelne Düfte immer wieder behutsam angepasst. Selbst Persil hat im Laufe seiner langen Geschichte seinen Duft mehrmals verändert. Wobei dessen Grundcharakter erhalten geblieben ist. „Persil hat eine eindeutige parfümistische Signatur“, sagt Manuela. Das heißt: Im Blindtest erriechen Personen die Persil-Wäsche ganz klar. 

Porträt-Foto von Manuela Materne, Senior Parfümeurin bei Henkel

Wie eine Musikerin, die Noten aneinanderreiht und so ein Lied oder eine Oper komponiert, kreiere ich eine harmonische Zusammensetzung aus verschiedenen Duftnoten.

In der Diskussion sind auch immer wieder Allergene, also Rohstoffe, die Allergien auslösen können. Deshalb bieten viele Unternehmen, auch Henkel, parfümfreie Produkte an. Die weitaus meisten Kundinnen und Kunden bevorzugen Waschmittel, Seifen oder auch Shampoos mit Parfüm. Zudem, so Manuela, gebe es so gut wie keine natürlichen Rohstoffe ohne Allergene. „Limonene findet sich in einer Vielzahl von Ölen, Rosenöl enthalte Citronellol und Geraniol, bei Lavendel ist es Linalool“, zählt sie auf. Alles, was in der Natur vorkommt, kann potenziell Allergien auslösen. Sensitive Produkte verzichten auf diese natürlichen Rohstoffe. 

Aus Krefeld stammt der weltweite Henkel-Duft 

Die Düfte aus Krefeld werden innerhalb von Henkel in mehr als 40 Länder verschickt. Doch die Vorlieben der Menschen beim Parfüm sind unterschiedlich. In Südeuropa seien eher blumige Düfte gefragt, in den USA fruchtige und in Asien leichte Düfte. „Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Manuela. Selbst innerhalb Europas gebe es Unterschiede. In Frankreich ließe sich der Weichspüler Vernel mit Lavendel sehr gut verkaufen. In Deutschland hingegen weniger, da Lavendel bei dem einen oder anderen mit Mottenpulver assoziiert wird, sagt Manuela. Bei einem Produkt hingegen spielten die regionalen Geschmäcker keine Rolle, so die Parfümeurin: „Der Duft von Persil ist weltweit gleich.“ Lediglich Anpassungen am Parfümöl müssen aufgrund von regulatorischen Anforderungen auf lokaler und regionaler Ebene beim Duft von Persil durchgeführt werden – der ikonische Duftcharakter bleibt dabei jedoch weltweit bestehen. 

In der Duftforschung kommt KI zum Einsatz

Manuela selbst verwendet beim Parfüm einen unaufdringlicheren Duft. So wie es ihrer eher zurückhaltenden Art entspricht. Doch wenn sie über ihren Beruf spricht, dann ist ihr die Leidenschaft durchaus anzumerken. „Man muss gut riechen können, Spaß an Düften haben, über ein gutes Duftgedächtnis verfügen, kreativ sein und Begeisterung mitbringen“, listet sie auf. Nicht zu vergessen die anspruchsvolle fünfjährige Ausbildung.

Jetzt bekommen die Parfümeurinnen und Parfümeure bei Henkel noch einen „digitalen Assistenten“ an die Seite gestellt, wie es Marc-Steffen nennt. Auch im Henkel Fragrance Center, in dem pro Jahr 10.000 Tonnen Parfümöl produziert werden, hält die künstliche Intelligenz Einzug. In erster Linie, um neue Ideen und Vorschläge für die Entwicklung von Parfüms zu liefern. Doch daran lässt der Chef des Parfüm Centers keinen Zweifel: „Ersetzen kann die künstliche Intelligenz die Parfümeurinnen und Parfümeure nicht. Denn da geht es um Kreativität und Emotionen.”

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Ein Mann schaut durch ein Fenster nach draußen.
INNOVATION:WANDEL VERSTEHEN, ZUKUNFT GESTALTEN